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Mehr Rechtssicherheit während der Ausbildung – die Ausbildungsduldung als gelungene gesetzliche Neuregelung?

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Katrin_Sassvon KATRIN SASS

Mit der Einführung des Integrationsgesetzes (BGBl. I 2016, S. 1939) wurde die Ausbildungsduldung in § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG zum 6. August 2016 neu geregelt. Nun können Ausländer ohne Angst vor der Abschiebung eine Ausbildung in Deutschland beginnen und beenden. Für den Gesetzgeber steht fest: diese Neuregelung schafft Rechtssicherheit – sowohl für den betroffenen Ausländer, als auch für den Ausbildungsbetrieb. Ob die Ausbildungsduldung diesem Versprechen tatsächlich standhält, soll anhand einer eingehenden Betrachtung der gesetzlichen Neuregelung entschieden werden.

Die gesetzliche Neuregelung

Die Ausbildung ist bereits seit dem 1. August 2015 durch die Einführung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (BGBl. I 2015, S. 1386) als Duldungsgrund anerkannt, jedoch beinhaltete diese Gesetzesregelung noch viele Einschränkungen. So lag es damals noch im Ermessen der Ausländerbehörde, ob eine Duldung erteilt wird, zudem kam diese Art der Duldung nur für Menschen in Betracht, die das 21. Lebensjahr vollendet hatten.

Mit der Neuregelung reagierte der Gesetzgeber auf vorangegangene Probleme vieler Ausbildungsstellen. Deutschlandweit suchen Ausbildungsbetriebe zwar händeringend nach Auszubildenden, jedoch war es aus aufenthaltsrechtlicher Sicht oftmals zu riskant, einen Ausländer mit Aufenthaltsgestattung als Auszubildenden einzustellen. Wenn dessen Asylantrag abgelehnt wurde, musste der Ausbilder damit rechnen, umsonst Zeit, Mühe und finanzielle Ressourcen in seinen Auszubildenden gesteckt zu haben.

Durch die Schaffung des § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG besteht nun für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer (Ausländer mit einem abgelehnten Asylantrag) ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Duldung während der Ausbildung. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht mehr.

Der Anspruch im Detail

Wenn ein Ausländer einen qualifizierten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt, aber vollziehbar ausreisepflichtig ist, hat er einen Anspruch auf die Erteilung einer Duldung für diesen Zeitraum, § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG. Unter den Wortlaut „aufnehmen“ lässt sich subsumieren, dass der Anspruch bereits ab Abschluss eines Ausbildungsvertrages besteht (VGH Baden- Württemberg, Beschluss v. 13.10.2016, Az. 11 S 1991/16, Rn. 15). Eine qualifizierte Berufsausbildung liegt vor, wenn diese eine mindestens zweijährige Ausbildungsdauer voraussetzt (vgl. Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zum AufenthG, Rn. 1.18a.1.04) und einen staatlich anerkannten oder vergleichbaren Ausbildungsabschluss gewährleistet (Arbeitshilfe zur Ausbildungsduldung: Kirsten Eichler/GGUA Flüchtlingshilfe).

Um eine qualifizierte Berufsausbildung aufnehmen zu dürfen, muss ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer eine Beschäftigungserlaubnis von der Ausländerbehörde einholen (Empfehlenswerte Übersicht von der GGUA Flüchtlingshilfe: Zugang zur Beschäftigung). Die Erteilung dieser Erlaubnis liegt aber im Ermessen der Behörde, § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Diese Ermessensregelung steht jedoch im Widerspruch zum Anspruch aus § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG. Der VGH München (Beschl. v. 15.12.2016, Az. 19 CE 16.2025)  ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Anwendung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis im vorliegenden Fall zu einer Ermessensreduzierung auf Null führt (so ähnlich das Niedersächsische Innenministerium: Runderlass vom 16.02.2017 zur Anspruchsduldung).

Sobald die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde, hat der noch geduldete Ausländer die Möglichkeit, bei Aufnahme einer seiner Qualifikation entsprechenden Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a Abs. 1a AufenthG zu erhalten. Wenn die Ausbildung abgebrochen wird, erhält der Ausländer für die Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz einmalig eine weitere Duldung für sechs Monate, § 60a Abs. 2 S. 7 AufenthG.

Zusammenfassend kann ein Ausländer, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, durch die Regelungen im § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG und § 18a AufenthG seinen Aufenthalt ab der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages für insgesamt 5 Jahre sichern (sogenannte 3+2 Regelung).

Wichtige Ausnahmen

Sobald ein Arbeitsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG vorliegt, darf die Ausbildungsduldung nicht erteilt werden. Das ist der Fall, wenn der Ausländer eingereist ist, um Sozialleistungen zu erlangen, wenn selbstverschuldete Duldungsgründe vorliegen (z.B. beim Zurückhalten des Passes) oder wenn der Ausländer aus einem sicheren Herkunftsland kommt und seinen Asylantrag nach dem 31.08.2015 gestellt hat.

Zudem haben nach § 60a Abs. 2 S.6 AufenthG vollziehbar Ausreisepflichtige keinen Anspruch auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung, wenn sie für eine vorsätzliche Straftat strafrechtlich verurteilt worden sind, oder konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung bevorstehen, § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG. Das Niedersächsische Innenministerium (Runderlass zur Ausbildungsduldung vom 16.02.2017) legt diesen Begriff so aus, dass konkrete Maßnahmen vorliegen, wenn diese in einem engen sachlichen und vor allem zeitlichen Zusammenhang mit der Abschiebung stehen. Darunter fällt der Eingang eines Abschiebungsersuchens beim Landeskriminalamt. Für den VGH Baden- Württemberg (Beschl. v. 04.01.2017, Az.  11 S 2301/16) liegt dieser Fall ebenfalls vor, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG vollziehbar ist. Eine Abschiebungsanordnung wird erteilt, sofern ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde.

Wenn der Asylantrag als einfach unbegründet abgelehnt wird, wird eine Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG erlassen. Die Vollziehbarkeit dieser Ausreisepflicht soll noch keine konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung darstellen. Der VGH Baden- Württemberg, das VG Arnsberg (Beschl. v. 29.09.2016, Az. 3 L 1490/16) und das OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 22.11.2016, Az. 12 S 61/16) stellten fest, dass erst konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorliegen, wenn die Terminierung des Abschiebungstermins bereits zum Zeitpunkt des Antrages auf Erteilung der Ausbildungsduldung vorlag.

Praktische Anwendung und Tipps für die Beratung

Sobald der Ausländer mit einem Ausbildungsplatz zum förderungsfähigen Personenkreis gehört, steht ihm auch die Möglichkeit offen, Finanzierungshilfen zu beantragen. Der Zugang zu den Leistungen wie Bafög, Berufsausbildungsbeihilfe, ausbildungsbegleitende Hilfen, assistierte Ausbildung und Wohngeld hängen vom Aufenthaltsstatus und den Voraufenthaltszeiten ab ( im Detail: Kurzübersicht der GGUA e.V. zu Ausbildungsförderung mit Aufenthaltsgestattung, BüMA oder Ankunftsnachweis).

Wichtige Beratungstipps: um eine falsche Entscheidung seitens der Ausländerbehörde zu vermeiden, sollten vorab die tatsächlichen Ansprüche mit dem Ausländer durchgesprochen werden. Bei Problemen mit der Ausländerbehörde in Niedersachsen kann zur Hilfe der Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums zur Ausbildungsduldung vom 16.02.2017 dem Sachbearbeiter vorgelegt werden. Für andere Bundesländer besteht aber auch die Möglichkeit diesen Erlass als Auslegungshilfe zu nutzen, solange kein gegenteiliger Erlass vorliegt.

Zudem sollten Berater/innen nicht nur bei Ausländern mit einem abgelehnten Asylantrag auf die Möglichkeit der Ausbildungsduldung hinweisen. Es empfiehlt sich, auch für junge Ausländer mit einer Aufenthaltsgestattung, dem subsidiären Schutz, oder der Flüchtlingsanerkennung einen Ausbildungsplatz zu suchen und anzunehmen. Aufgrund der sprachlichen und fachlichen Herausforderung und der Unterstützung durch den Betrieb und Kollegen wird deren Integration maßgeblich verbessert. Aber nicht nur die Ausländer profitieren von der Ausbildungsduldung, auch die einzelnen Betriebe können dadurch leichter ihre offenen Ausbildungsstellen füllen.

Eigene Bewertung

Es kann nicht von der Hand gewiesen werden, dass sich die Neuformulierung der Ausbildungsduldung als Anspruch positiv auf die Rechtssicherheit auswirkt. Jedoch bleiben auf den zweiten Blick einige Voraussetzungen unklar. Der Gesetzgeber definiert den Begriff der „konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung“ nicht, sodass sich Betroffene auf die Auslegung der Gerichte verlassen müssen. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit der Ausbildungsbeginn in der Zukunft liegen darf, damit die Voraussetzung des „Aufnehmens“ erfüllt ist. Klärungsbedarf besteht auch hinsichtlich der Diskrepanz zwischen der Ermessensentscheidung bzgl. einer Beschäftigungserlaubnis gegenüber dem Anspruch auf eine Ausbildungsduldung. Der Gesetzgeber scheint diese Aspekte bei der Neuregelung nicht ausreichend bedacht zu haben.

Trotz dieser Unsicherheiten kann abschließend festgestellt werden, dass der Gesetzgeber auf dem richtigen Weg zu sein scheint. Er hat mit der Ausbildungsduldung eine sinnvolle und realistische alternative Bleibemöglichkeit für Ausländer mit einem abgelehnten Asylantrag geschaffen. Jeder Berater und jede Beraterin sollte junge Hilfesuchende auf die Möglichkeit der Ausbildungsduldung hinweisen. Da Ausbildungseinstellungen bereits zum Oktober vorgenommen werden, kann man jetzt schon gemeinsam tätig werden.


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